2 Schreibtisch auf Reisen

Ausstellungstext in Einfacher Sprache
Projekt «Hindernisfreiheit an der ETH Zürich»

Ein Möbel war für Thomas Mann besonders ­wichtig: sein Schreibtisch. Hier trafen Fantasie und Wirklichkeit aufeinander, denn manche ­Gegenstände findet man auch in seinen Romanen wieder. Thomas Manns Schreibtisch war ein ­fester Teil seines Lebens und kam bei jedem ­Umzug mit – selbst als die Familie Mann aus Deutschland fliehen musste und ins ausländische Exil ging. Eines fällt beim Betrachten von ­Foto­­grafien auf: Auf dem Schreibtisch lagen immer dieselben Dinge, stets gleich angeordnet. Diese feste Anordnung offenbart, dass Thomas Mann beim Schreiben und bei seinen Nachforschungen feste Gewohnheiten pflegte. Diese Ordnung hielt er auch in unruhigen Zeiten im Ausland ­aufrecht. Sie sorgte dafür, dass er seine Arbeit fortsetzen konnte.

ETH-Rektor Karl Schmid überreicht ­Thomas Mann die Urkunde eines Ehrendoktors der Naturwissenschaften

1955; Ray Schlauch-Simonet

Ehrendoktor-Urkunde der ­Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich Juni 1955

In seinen letzten Jahren nach der Rückkehr aus den USA erhielt Thomas Mann mehrere Ehrungen. Die ETH verlieh ihm 1955 zu seinem 80. Geburtstag die «Würde eines Doktors der Naturwissenschaften ehrenhalber». Thomas Mann besass zwar bereits mehrere philoso­phische Ehrendoktortitel, jedoch noch keinen in den Naturwissenschaften.

(Nachbildung)

Dankesbrief an Karl Schmid 9. Juni 1955

(Nachbildung)

«Es war eine so kühne, freie, originelle Idee, mir diesen Titel eines Doktors der Naturwissenschaften zu verleihen – ich höre nicht auf, mich daran zu ergötzen! […] Nehmen Sie, lieber Herr Professor, meinen Gruß! Geben Sie ihn an die ganze ETH weiter!»

Auf dem Bildschirm finden Sie die Dinge, die auf Thomas Manns Schreibtisch oder in seinem Arbeitszimmer standen. Blättern Sie durch das digitale Inventar, und entdecken Sie die Geschichten hinter den Objekten. Das digitale Inventar steht in Standard­sprache und Englisch zur Verfügung.

Digitales Inventar
Objektfotografie: Stephan Bösch
 

Die Dinge auf dem Schreibtisch

Zahlreiche Gegenstände bedeckten den Schreibtisch von Thomas Mann: Schreibwerk­zeuge, Zierobjekte und Souvenirs. Zum Schreiben blieb nicht mehr viel Platz. Mit diesen Gegenständen stellte der Schriftsteller sich selbst dar. Bereits die Dichter Goethe und Schiller hatten dies getan. Die Dinge auf seinem Schreibtisch gehörten fest zu Thomas Manns Leben. Sie tauchen sogar in seinen Werken auf, wo sie in der Fantasie des Schriftstellers neu belebt wurden.

Manche Dinge hatte Thomas Mann geerbt, manche selbst gekauft. Andere wiederum hatte er geschenkt bekommen oder von Reisen mitgebracht. Stöbern Sie in den Gegenständen auf Thomas Manns Schreib­tisch, und erfahren Sie mehr darüber. Die Gegenstände sind so präsentiert, wie sie in seinem letzten Wohnhaus in Kilchberg angeordnet waren.


Die Dinge im Arbeitszimmer

Die Zusammensetzung der Möbel und Objekte in Thomas Manns Arbeitszimmer änderte sich im Lauf der Zeit, denn neue Gegenstände kamen mit den Jahren hinzu. Alle Dinge hatten ihre eigene Bedeutung und ihren Platz. Sie bildeten den Rahmen von Thomas Manns schriftstellerischer Arbeit.

Stöbern Sie in Thomas Manns Arbeitszimmer, und erfahren Sie mehr über die Gegenstände.

Zu sehen ist Thomas Manns erstes Arbeitszimmer im gemeinsamen Haushalt mit seiner Frau Katia. Mit ihr war er seit 1905 verheiratet. Hier entstanden Werke wie «Wälsungenblut» und «Königliche Hoheit». Auf dem Schreibtisch ist der Messingleuchter zu erkennen. Er stand bis ans Lebensende des Schrift­stellers an seinem Platz.

München, Franz-Joseph-Straße 2
Philipp Kester, Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie

1910 zog die Familie Mann in die Wohnung in der Mauerkircherstraße. Dort entstand unter anderem die Erzählung «Der Tod in Venedig».

München, Mauerkircherstraße 13
Hans von Hülsen

Am Schreibtisch in der Poschingerstraße entstand das Werk «Betrachtungen eines Unpolitischen». Den «Zauberberg» beendete Thomas Mann 1924 an diesem Ort. Dort begann er auch mit den Josephs­romanen. Die ersten der insgesamt vier Bände erschienen 1933 und 1934 noch in Deutschland.

München, Poschingerstraße 1
Keystone

Im Jahr 1914 bezog die Familie Mann eine grosse Villa in München Bogenhausen, einem noblen Wohnquartier. Hier lebte sie neunzehn Jahre. 1933 war die Familie gezwungen, das Land zu verlassen und ins Exil zu gehen. Das Haus wurde im August 1933 von den Nazis beschlagnahmt und später vermietet. Für kurze Zeit wirkte in der Villa der nationalsozialistische Verein «Lebensborn» von Heinrich Himmler, dem ­SS-Reichs­führer. Hier verfolgte der Verein seine rassistischen Ziele. Bei einem Bombenangriff 1945 wurde die Villa stark zerstört. 1952 wurde sie abgerissen. 2006 wurde das Gebäude als Privathaus neu aufgebaut.

München, Poschingerstraße 1
Keystone

Der grosse neubarocke Schreibtisch war Thomas Manns wichtigstes Hilfsmittel für seine Arbeit. In den Schubladen befanden sich die Unterlagen für aktuelle Projekte. Der Schreibtisch begleitete ihn seit 1930 auf allen Stationen seines Lebens. Thomas Mann hatte ihn vermutlich bei dem Münchner Kunst- und Antiquitäten­händler Kurt Bernheimer gekauft.

Vor 1900; Mahagonifurnier

Das Bild mit den drei nackten Jünglingen stammt vom Darmstädter Maler und Grafiker Ludwig von Hofmann. Thomas Mann erwarb das Aktgemälde 1914.

1913; Öl auf Leinwand

Katia Mann unterstützte ihren Mann nur gelegentlich an der Schreibmaschine. Sie ent­lastete ihn, indem sie die alltäglichen Dinge und Aufgaben übernahm. Der Schriftsteller konnte dank seiner Frau in Ruhe schreiben und arbeiten.

Los Angeles, Pacific Palisades

Im Jahr 1933 emigrierte die Familie Mann in die Schweiz. Eigentlich wollte das Ehepaar nach einer Reihe von Vorträgen nur die Winter­ferien in Arosa verbringen. Thomas Mann hatte in mehreren europäischen Städten über den Komponisten Richard Wagner gesprochen. Doch die Kinder Erika und Klaus warnten ihre Eltern davor, nach München zurückzukehren. Dort hatte man den Vortrag über Wagner erst gefeiert, dann heftig kritisiert. Nach Arosa lebte die Familie in Lenzerheide, im Tessin sowie in Südfrankreich. Ende September 1933 bezog die Familie Mann ein Haus in Küsnacht.

Küsnacht, Schiedhaldenstrasse 33
Keystone/Photopress-Archiv

1938 fand der sogenannte «Anschluss» von Österreich an das nationalsozialistische Deutschland statt. Damit wurde Österreich Teil des Deutschen Reichs. Europa war für Thomas und Katia Mann nicht mehr sicher genug. Im Herbst 1938 wanderten sie in die USA aus. Agnes E. Meyer war eine einflussreiche Freundin und unterstützte den Schriftsteller. Sie verschaffte Thomas Mann eine Stelle als Dozent an der Universität Princeton.

Princeton (USA)
Carl Mydans; The LIFE Picture Collection/Shutterstock

1954 bezogen Thomas und Katia Mann ihr letztes eigenes Haus in Kilchberg bei Zürich. «Nach so viel Wanderung und Wechsel, die das Leben mit sich brachte, soll es meine definitiv letzte Adresse sein.»

GW XI, S. 527

Kilchberg, Alte Landstrasse 39
Fritz Eschen; SLUB Dresden, Deutsche Photothek

Im Februar 1942 liessen sich Thomas und Katia Mann in einer Villa im Stadtteil Pacific Palisades in Los Angeles nieder. Der Architekt Julius Ralph Davidson hatte diese moderne Villa entworfen. Thomas Mann bezeichnete sein Arbeitszimmer dort als das schönste seines Lebens. Zwischen 1940 und 1945 schrieb er da unter anderem seine Radio-Ansprachen gegen Hitler und die National­sozialisten. Die Botschaften sandte er über den Radiokanal BBC London an die «deutschen Hörer». An diesem Ort schrieb er bis 1947 auch an seinem Roman «Doktor Faustus».

Los Angeles, Pacific Palisades, 1550 San Remo Drive
Hanns Hubmann; bpk-Bildagentur

Anfang der 1950er-Jahre startete der amerika­nische Politiker Joseph McCarthy in Amerika eine Kampagne gegen kommunistische Einflüsse. Angetrieben wurde er durch den Konflikt, der zwischen den USA und der Sowjetunion zum sogenannten Kalten Krieg führte. Die feindliche Stimmung richtete sich auch gegen Künstlerinnen und Künstler. Dies bewegte die Familie Mann dazu, nach Europa zurückzukehren. Der «fast ängstliche Wunsch nach Heimkehr zur alten Erde» war dabei wohl mit im Spiel. Im Dezember 1952 liess sich das Ehepaar in Erlenbach bei Zürich nieder.

[Rückkehr nach Europa] (1953), E VI, S. 242

Erlenbach, Glärnischstrasse 12
Keystone/Photopress-Archiv

Auch in Kilchberg war der nun achtzigjährige Thomas Mann noch produktiv. Er arbeitete aus gesundheitlichen Gründen häufig vom Sofa aus – vor allem an seiner Rede «Versuch über Schiller», die er zum 150. Todestag von Friedrich Schiller schrieb. Zu Ehren dieses deutschen Dichters hielt Thomas Mann im Jahr 1955 die Rede gleich zweimal: einmal im westdeutschen Stuttgart und einmal in Weimar, das zur DDR gehörte. Es waren die letzten grossen Auftritte des Schrift­stellers. Am 12. August 1955 starb Thomas Mann im Zürcher Kantonsspital, dem heutigen Universitätsspital.

Arbeitszimmer in Kilchberg, Alte Landstrasse 39
A.T.P. Bilderdienst/Arnold Theodor Pfister; Staatsarchiv des Kantons Aargau, Ringier Bildarchiv

Thomas Mann nahm erst 1936 öffentlich Stellung gegen das nationalsozialistische Regime Hitlers. Seine Familie hatte ihn gebeten, sich zu äussern. Er zögerte diesen Schritt lange hinaus. Wahr­scheinlich war er besorgt, dass seine Bücher in Deutschland nicht mehr herausgegeben würden. Thomas Mann schrieb dem Feuilleton­chef der «Neuen Zürcher Zeitung» Eduard Korrodi einen offenen Brief. Der Brief wurde in der Zeitung gedruckt und war für die breite Öffentlichkeit lesbar. Korrodi hatte die Frage gestellt, welche deutschen Schriftsteller­innen und Schriftsteller die deutsche Literatur vertreten könnten: die im ausländischen Exil oder die in Deutsch­land gebliebenen? Thomas Mann gab die klare Antwort, «daß aus der gegenwärtigen deutschen Herrschaft nichts Gutes kommen kann».

Brief vom 3. Februar 1936 an Eduard Korrodi
Zeitungsausschnitt (Nachbildung)

Verlusterklärung der deutschen Staatsangehörigkeit vom 2. Dezember 1936 (Nachbildung)

In seinem Brief an Eduard Korrodi von der «NZZ» hatte Thomas Mann Nazideutschland deutlich kritisiert. Seine ablehnende Haltung hatte Folgen: Am 2. Dezember 1936 verlor Thomas Mann die deutsche Staatsbürgerschaft. Seine Kinder Klaus und Erika Mann waren schon 1934 und 1935 ausgebürgert worden.

Ausgestellt am 4. Dezember 1936 vom Konsulat der
Tschechoslowakischen Republik in Zürich (Nachbildung)

Im November 1936 erhielt die Familie Mann die tschecho­­­­slowakische Staatsbürgerschaft. Kurz danach wurde Thomas und Katia Mann der deutsche Pass entzogen. Im Juni 1944 wurden Thomas und Katia Mann amerikanische Bürger.

Brief des Dekans der Philosophischen Fakultät der Rheinischen
Friedrich-Wilhelms-Universität

Thomas Mann erhielt 1919 von der Universität Bonn ein Ehrendoktorat. Am 19. Dezember 1936 entzog die Universität Bonn dem Schriftsteller den Ehrentitel und machte somit die Anerkennung rückgängig. «Ihr Recht, diesen Titel zu führen, ist […] erloschen», teilte der Dekan der Fakultät dem Schriftsteller in wenigen Zeilen mit.

19. Dezember 1936; Thomas Mann Collection. German Literature
Collection, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Yale University; Typoskript (Kopie)

Brief an den Dekan der ­Philosophischen Fakultät der ­Universität Bonn zum ­Entzug des Ehrendoktorats

Nachdem die Universität Bonn dem Schriftsteller das Ehrendoktorat entzogen hatte, antwortete Thomas Mann mit einem zehnseitigen Brief an den Dekan. Er las den Brief am 1. Januar 1937 im deutschen Programm des britischen Radiosenders BBC vor. Kurz darauf veröffentlichte er ihn unter dem Titel «Ein Briefwechsel» (1937). Der Brief verdeutlicht, dass Thomas Manns sich stark für politische Fragen einsetzte. Er schrieb von nun an viel über politische Themen.

1. Januar 1937; von Thomas Mann vorgetragen und von der BBC gesendet; Ausschnitt: 5:15 Min.; Produktion: BBC, aus: Thomas Mann, «Der Kreis des Zauberers» (17 CD, 1 DVD), erschienen im Hörverlag

Das Objekt befindet sich bis zum 6. August 2023 in der temporären Ausstellung «Thomas Mann. Achtung Europa!».

Den Brief des Dekans der Universität Bonn beantwortete Thomas Mann mit einem langen Brief. Diesen schrif­t­­lichen Austausch veröffentlichte der Zürcher Buch­händler Emil Oprecht 1937 unter dem Titel «Ein Brief­wechsel». Der Briefwechsel erschien rasch in weiteren Auflagen und verbreitete sich auch im Ausland. Er gilt als eine der wichtigsten Stellungnahmen gegen Nazideutschland aus dem ausländischen Exil. In Deutschland kam der «Briefwechsel» heimlich in Umlauf, nachdem die Nazis Thomas Manns Werke und Schriften verboten hatten.

Tarnschrift des veröffentlichten Briefwechsels (Nachbildung)

Ab dem 7. August 2023 ist dieses Foto ersetzt durch die Tarnschrift
«Ein Briefwechsel» (bis 6. August in der temporären Ausstellung).


Am 13. September 1938 las Thomas Mann im Schau­spiel­haus Zürich aus dem Werk «Lotte in Weimar» vor. Es war seine letzte Lesung in der Schweiz, bevor er nach Amerika ging. Der Schriftsteller dankte «für die Gastlichkeit, das freundliche Asyl, den Arbeitsfrieden». Noch im selben Winter ging er an die amerikanische Universität Princeton, wo er als Gastdozent unterrichtete.

Zitiert nach: Thomas Mann. Ein Leben in Bildern, hg. v. Hans Wysling und Yvonne Schmidlin (Zürich: Artemis 1994), S. 341

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